Wenn es hart auf hart kommt, ist Kritik aus den eigenen Reihen schädlich, vielleicht gar tödlich. ABER. Hart auf hart kommt es nicht, weil die eigenen Reihen alles richtig gemacht haben! Meist ist die Kritik dann am besonders nötig, weil die Positionen überkommen, verkrustet und über weite Strecken sogar falsch sind. Man hält an ihnen fest, weil einem nichts Besseres eingefallen ist, weil die Sesselinhaber daran festhalten, was sie schon immer gesagt haben.
Projekt 2029
Hoffen und Wünschen reicht nicht
Ohne Plan wird das nix!
Ich weiss noch nicht, was "drin" steht, aber ein Logo ist schon mal da
Am Dienstag (8-X) gab es eine Veranstaltung in der Akademie der Künste (Berlin), in der Beto O’Rourke (US-Demokrat) und Anna Lührmann (MdB Grüne) von Anna Sauerbrey (Die ZEIT) zu der transatlantischen Problemstellung „Democracy at stake“ in die Pflicht genommen wurden. Den in meinen Augen wesentlichen Beitrag leistete Beto O’Rourke, und das sagt nichts über Anna Lührmann, die erst am Nachmittag für die Veranstaltung gewonnen wurde, nachdem Franziska Brantner überaus kurzfristig verhindert war.
O’Rourke ist ein Demokrat aus Texas, und es spricht NICHT gegen ihn, dass er das Rennen um einen Senatssitz und auch das Rennen um den Gouverneurs-Posten nicht für sich entscheiden konnte; Texas eben. Beim Thema „Democracy at stake“ sind keine Überraschungen zu erwarten, und die Erwartung wurde nicht enttäuscht. Wäre O’Rourke nicht so ein engagierter Redner, dem es gelingt „glaubwürdig“ MIT dem Publikum zu sprechen – und es für seine Person zu begeistern –, man hätte von Langeweile sprechen können, und das, OBWOHL das Thema keinen Deut weniger traurig daherkam, als allenthalben bekannt. Nureben: auch schlechte oder traurige Nachrichten verschleissen an der Öffentlichkeit. Sein wesentlicher Beitrag bestand nicht in der Bedienung der Erwartung, sondern in der harschen Kritik an seiner eigenen Partei. Mag sein, dass das abseits der Heimat“front“ etwas leichter von den Lippen geht, doch offenbar findet sich O’Rourke in einem Lager mit Bernie Sanders, Gavin Newsom und, wenngleich ungenannt, AOC; und dieses Lager hat zur Kritik allen Anlass. Auch Kamala Harris – so berichtet die FAZ über ihr neues Buch – habe an den Grabenkämpfen der eigenen Partei gelitten.
Friendly Fire
Die Kritik am eigenen Lager, das ist ein Thema, das mich berührt! Bist Du nicht für uns, dann bist Du gegen uns. Right or Wrong, My Country. Das ist die gängige Haltung der Mehrheit und vor allem ist es die implizite Erwartung der Medien an das politische Personal, wo immer es um deren Positionen geht. Wer es wagt, die eigenen Reihen zu kritisieren, Nestbeschmutzer, Dolchstoss, ist aller Verachtung wert und öffnet dem Gegner, dem Feind, Tür und Tor. Psychologisch ist die Diagnose kaum von der Hand zu weisen; intellektuell ist sie eine Katastrophe. Genau diese Haltung verhärtet die Vergangenheit und die Machtstrukturen vor allem dann, wenn Verkrustungen und überkommene Positionen von gestern das Geschehen dominieren. Am genauesten lässt sich dieser Fraktionszwang in der Beschreibung zusammenfassen: Nicht, was richtig ist gilt, sondern was opportun ist. Nicht die Wahrheit bestimmt über die Richtung, sondern das Interesse. Das gilt für jedes Lager, daran gibt es kein politisches Copyright.
Solange es – ganz allgemein – gut geht, wird eine abweichende von der herrschenden Meinung lediglich als weird abgetan, wird geduldet und ignoriert, bisweilen werden gnädig Konzessionen gemacht, ein Plätzchen am Katzentisch, immerhin. Nicht so, wenn es schlecht geht; dann lautet das Verdikt auf Verrat. Das ist besonders schädlich, denn gerade, wenn es schlecht geht, ist es zumeist zwingend geboten, die eigenen Positionen zu überprüfen.
Skrupel
Seit Jahr und Tag kritisiere ich die Linke als Linker; nee, hab ich viele Freunde!
Zunächst: Die Linke, der Linke, das sind in meinen Augen dramatisch überalterte Vorstellungen; bei der Rechten ist es etwas einfacher, weil dort von Haus aus auf Rezepturen der vergangenen Jahrhunderte zurückgegriffen wird; dort muss man die Begrifflichkeit lediglich „technologisch“ nachrüsten (siehe asoziale Medien). Auf der Linken ist das anders: tritt sie mit den Weisheiten von vorgestern auf, versagt sie vor dem eigenen Verstand – und weiss das. Die Linke muss ihre Begriffe und Analysen in der gesellschaftlichen Breite (politisch, technologisch, ökonomisch, administrativ …) schärfen, wenn nicht relaunchen oder gar verwerfen. Besonders problematisch wird dieser Vorgang, wenn es an die Fundamente geht: da herrschen regelrechte Sprechtabus. Mit der Identitätspolitik, der political correctness und der wokeness sind um breite Begriffsfelder Zäune mit sozialen Sprengfallen errichtet worden; ein falsches Wort, und der Professor, muss man nicht gendern!, ist seinen Job los. Von rechts geht das auch: hier, wie im Fall Brosius-Gerstorf, muss man allerdings mit ein wenig Kosmetik die Aussagen ins Abseits geleiten.
Du ahnst es schon, auf diesen Minenfeldern bin ich zuhause. Ich halte die ökonomische Analyse (grünes Wachstum) für groben Unfug, ich halte die Identitätspolitik (et.all.) für apolitischen Eskapismus, ich halte den Feminismus für eine fundamentalistische Umkehr des Machismo und wenn ich so weiter schreibe, brauch' ich bald Personenschutz. DABEI – deswegen der Titel, und daher mein Dilemma: historisch und auch analytisch kenne ich die Grundlagen dieser Verirrungen, habe sie selbst befördert, und NATÜRLICH kann ich fast alle Beweggründe verstehen und muss sie in ihren Folgerungen unterstützen; aber eben allenfalls auf der persönlichen Ebene. Denn politisch, das ist meine Schlussfolgerung aus den bestehenden Verhältnissen, darf man sich nicht mehr in Partikularinteressen verlieren und aus der Verantwortung um das Ganze herausstehlen – und ganz besonders darf man die Breite der Gesellschaft nicht mit „Gendergedöns“ und LGBTQ-Feierstunden aus der Mitte der liberalen Gesellschaft herausdrängen. Ja, ja, ich weiss. Gleich wird scharf geschossen.
Was ist denn nun dieses „Politische“, das ich in den Mittelpunkt stelle? Und da bin ich wieder bei Beto O’Rourke und Anna Lührmann. Die Aufgabe, die offenen Baustellen sind klar: der Faschismus in der Version Trump droht, mit Hilfe von Musk und Vance über den Atlantik zu schwappen; fast könnte man darüber die eigentlichen Probleme vergessen: die Bundesregierung gibt gerade mit 500 Milliarden und mehr gegen das Klima vor, die KI-Industrie geht gerade gegen die Grundlagen der Arbeit vor, die US-Verschuldung droht in einen Finanzkollaps zu kippen (die europäische Verschuldung hilft, wo sie kann), die Migration, wenn nicht heute, dann morgen, untergräbt die Grundlagen der westlichen Gesellschaften. NICHTS davon in den Reden von O’Rourke oder Lührmann. Da ist von Hoffnung und von „Kämpfen“ die Rede, und dann wird die „Gerechtigkeit“ bemüht; ein Programm, ein paar markante Punkte: Fehlanzeige. Konkrete Massnahmen, einen Plan, ein Narrativ – Fehlanzeige. Man kann ja Narrativ nicht mehr hören, ich auch nicht. Aber solange keine Idee benannt ist, hinter der sich das Volk, der Kontinent, die westlichen Gesellschaften versammeln, um die genannten Probleme anzugehen und möglichst zu bewältigen, steht die Resignation an der nächsten Strassenecke und händigt Dope und Entertainment an Bedürftige aus.
Das Projekt 2025 hat gezeigt, wie man das macht: einen Plan. (Hier habe ich darüber geschrieben.) Wie effektiv das ist, zeigt Donald Trump. Wenn es den Demokraten, den Grünen, den Linken nicht gelingt, mit einem vergleichbaren Massnahmen-Kanon Zutrauen zu stiften und eben auch die Mehr-Energie, die es braucht, einen Staat in eine andere Richtung zu schieben, dann wird das Projekt 2025 nach Europa und nach Deutschland ausgerollt.
Es gibt in den USA eine Initiative Projekt 2029 und die Parole wird auch hier aufgegriffen; soweit ich es bislang gelesen habe, noch ohne Fleisch am Skelett. Aber so, oder so ähnlich, stelle ich mir das vor. Das braucht jetzt so was wie virale Unterstützung – ich hatte schon angedeutet, dass genau das nicht mein hometurf ist. Also, Menschen, Leute, you guys: Share. Comment. Do something!