Zur Rechten Zeit!

Innovation

2001 war es nicht

In einer Videobotschaft zum Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft 2013 nannte Ray Kurzweil den „richtigen Zeitpunkt“ als DEN Erfolgsfaktor von Innovationen. Die schönsten Erfindungen, sinngemäss, sind zur Unzeit für die Tonne.

Grosses Dilemma: : Wann - ist der richtige Zeitpunkt?

Seit geraumer Zeit beschäftigen die Machenschaften der Geheimdienste im Allgemeinen und die der NSA im Besonderen einen markanten Teil der Öffentlichkeit. Wenige, wie Ex-IM Friedrich, machen sich mit Nullsprech, Dumm- und Feigheit vor dem Freund zum Gespött. Andere wenige zeigen Verständnis dafür, dass Staaten „spionieren müssen“. Und noch andere stellen fest, dass die USA sich in einer Reihe von Geheimverträgen seit 1945 (zuletzt 1989) „das Recht“ ausbedungen haben, auf deutschem Boden „alles“ zu tun, was der Sicherheit ihrer Streitkräfte und des Landes (der USA natürlich) diene. Bei Beckmann war jüngst zu sehen und zu hören, was jene denken, die denken: Wer politisch noch nicht völlig entschlafen ist, der ist empört. Es ist ein Skandal! 

So, und so ähnlich ging es auch zu bei einer Diskussion unter Freunden. Da war, einerseits die Mehrheit, die sich in allen denkbaren Schattierungen der Empörung anschloss. Dagegen jedoch, und nur das ist an dieser Stelle berichtenswert, gab es ein Lager mit einer radikalen und sonst kaum gehörten Position, eine widersprechende, oder sagen wir, zustimmend widersprechende Position, nämlich die, dass all das Empören in der Sache vollkommen inadäquat sei und Placebo-verdächtig. Allein, so wurde von dieser Seite argumentiert, die Begriffe: Skandal, Empörung, etc.; in der politischen Auseinandersetzung sind derlei Vokabeln gleichsam wie Sandkastenspielzeuge, denn sie sind nicht nur falsch sondern auch unernsthaft und selbstgenügsam und ganz besonders in der Wirkung contraproduktiv, da sie die Aufmerksamkeit erlahmen. Die Sau werde durchs Dorf getrieben, danach Business as usual. Diese Ausdrucksformen politischer Meinungsbildung würden der politischen Willensbildung zuwider laufen und verlepperten sich, wie Rohrkrepierer, weit unterhalb der Flughöhe des Problems. Was aber, kam die Frage, wäre angemessen?

Bei mir weckte die Diskussion ein paar schmerzliche Erinnerungen, sozusagen Deutschland betreffend, die Innovation und überhaupt. 

Es gab eine Zeit, als deutsche Maschinen den Weltmarkt beherrschten. Ich rede dem nicht das Wort, wie ich jedem „imperialen“ Gehabe und Getue zutiefst abgeneigt gegenüber stehe. Was ich jedoch, in meinen Rollen als Berater wie auch als Stammtischdenker, nicht ertragen kann ist, wie der deutsche Zeitgeist den Ehrgeiz und den Mut zersägt, Grosses zu denken und zu versuchen. „Wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden.“ Das genau ist der Satz des Todes, des intellektuellen jedenfalls - und langfristig auch des wirtschaftlichen Niedergangs.

2001 war es nicht!

Aus diesen Erinnerungen berichte ich heute rückblickend von einer Initiative, Aktion Wasserschlag, die TIMElabs mit dem Branding „1st Data“ bei mehreren Gelegenheiten ab 2001 wenigstens vier höchstrangigen Entscheidungsträgern der Deutschen Telekom vorgestellt hat, plus T-Venture, der SAP und dem Deutschen Sparkassenverlag (der, nur falls das nicht sofort einleuchtet, als Zulieferer der Sparkassen insbesondere auch umfangreiche Datendienste für den Verbund bereitstellt). 

Ich will gar nicht diskutieren, ob unsere Initiative hinreichend durchdacht war (wahrscheinlich nicht), um wirksam und nachhaltig hätte werden zu können, und noch weniger könnte ich mich dafür verbürgen, dass nicht auch unsere guten Absichten hätten korrumpiert werden können. Aber: es war - und ist - eine vielversprechende Idee. Und ganz sicher ist: wenn man es nicht versucht, wird man auch nicht die Stellschrauben finden, um aus einer Idee einen Erfolg zu machen. Statt dessen sehen wir Copycats und Putzerfische bei der Arbeit. Deutschland heute steckt in vielen Problemen, die zu einem traurig gewichtigen Teil damit zu tun haben, dass deutsche Manager nicht die Eier haben, Innovationen zu fördern und zum Erfolg zu treiben.

1st Data - worum ging es?

Drei Kerngedanken umreissen die Initiative:

  1. Meine Daten gehören mir
  2. 1st Data ist die erste Daten Bank
  3. Wir verzinsen Ihr Profil

Die Idee ihrerseits war ein Derivat aus der Lektüre von Neal Stephensons „Cryptonomicon“ (erschienen im Mai 1999). Darin gibt es ein StartUp, dass auf einer kleinen Insel im Pazifik einen „DatenTresor“ bauen will. Damals (wie heute, s.o.) ist „die Geheimhaltung von Daten, der Zugang zu ihnen und ihre Kontrolle von fundamentaler Bedeutung. Und wieder beginnt ein "Krieg". … wo ein über ein 28.000 Kilometer langes, 1,5 Milliarden Dollar teures, in England beginnendes, durch den Suez-Kanal führendes und in Japan endendes Untersee-Glasfaser-Kabel, verlegt wird, [da] stellt sich die Frage: Wer kontrolliert was dort hindurch geht? Welchen Zugriff hat ein Staat auf Rechenzentren? Was kann, was darf er auslesen?“ (S. Bayer, amazon.de). 

Stephensons Geschichte ist ausserordentlich spannend. Kopfdeckel-schraubend. Mein Einwand damals war aber, dass sie nicht aus „Nutzersicht“ geschrieben ist (eher aus der Sicht von Hackern). Hinzu kam der Gedanke, und es war, weiss Gott, nicht nur meiner: „Daten sind das Geld von morgen“. Schon damals gab es dafür unzählige Belege, angefangen beim internationalen Geldverkehr. Wenn man aber aus Nutzer- oder gar aus Consumer-Sicht denkt, dann ging und geht es eher um Profile. Damals kamen die ersten Parolen zum sogenannten one2one-Business auf, und wenn man sich dann noch mit Geschäftsmodellen und Werbung beschäftigte, dann lag der Gedanke nicht mehr fern, dass Profile Geld-werte Sachverhalte darstellen.  

Unklar war aber noch, wie es gehen könnte. Denn es herrscht/e der Wildeste DatenWesten, die Nuggets lagen auf der Datenautobahn und jeder x-beliebige Online-Fuzzi konnte mit Unmengen geklauter Daten stiften gehen. Und tat es. Warum eigentlich, dachte ich damals, kann ich meine Daten nicht auf die Bank tun? Und sie brächten Zinsen, und ich würde bestimmen, wer was damit machen kann?!

Das Geschäftsmodell 1st Data

Das war die Idee zu 1st Data, der ersten Daten Bank. Das Businessmodell (damals) hatte mit Marktdaten, Produktentwicklung und Werbung zu tun, und dabei besonders mit den 50 % Streuverlusten (…). Wenn es gelingen könnte, Werbung genau jenen zuzuspielen, die sie tatsächlich haben wollen, so wäre das doch das Ende aller Streuverluste, oder! Hier setzte 1st Data an. 

Die „Daten Bank“ erhebt zunächst (Schritt für Schritt, in routinemässig-nervenschonenden Mini-Happen,) ein Profil des Kunden, darunter - das wäre dann noch nach Erfolgsfaktoren zu priorisieren - … eine Inventarliste des Haushaltes, die Liste aller Versicherungen und Verträge, eine Bestandsaufnahme von Musik und Büchern, die Krankenakte usw., bis … schliesslich …  „der ganze Mensch“ erfasst ist, kaskadierend, immer das Wichtigste zuerst, aber am Ende bis in die Details. All diese Daten werden grundsätzlich in „persönlichen DatenTresoren“ (Cryptonomicon) vor JEDEM Zugriff gesichert, jedoch können sie in anonymisierter Form statistisch ausgewertet werden - und so für ein analytisches Marketing reichlich Futter bereitstellen. Das ist der erste Teil des Geschäftsmodells: Es können SEHR exakte Konsumentendaten aggregiert werden, mit prognostischen Ableitungen zu (lokalen oder globalen) Markt- und Produktentwicklungen! Die „Dateninhaber“ würden, anteilig zur Menge resp. Vollständigkeit der von ihnen, resp. über sie erfassten Daten, Zinsen von den Erträgen aus dem Verkauf dieser Auswertungen erhalten; und die GfK könnte, mittelfristig, ihre Büros räumen. 

Es gibt jedoch mindestens einen zweiten Teil des Geschäftsmodells, und hier geht es um die tatsächlichen Kaufinteressen. Denn natürlich kaufen Dateninhaber Produkte, stündlich, täglich, ständig, die Wirtschaft lebt davon! Sie können nun diese Kaufinteressen „bekanntgeben“ und, in individuellen Abstufungen, vielleicht auch entlang des „sich verfeinernden Kaufinteresses“, mit Daten unterfüttern. Ein Beispiel: Es braucht eine neue Geschirrspülmaschine, die Alte tut’s nicht mehr. Die Alte (Bj. 2001) war von der Marke xy und hatte die folgenden Masse (x-y-z). Mit diesen Angaben (und je nach Produkt, „feineren“ Spezifikationen) belege ich (der Dateninhaber) nicht nur ein SEHR konkretes Kaufinteresse, sondern mache es möglichen Anbietern auch leicht, mein Interesse mit punktgenau passenden Produkten zu bedienen. Dieses Interesse wird - natürlich anonymisiert - an einschlägige Anbieter zu EKPs angeboten (Tod dem TKP!). Als Dateninhaber erhalte ich „Zinsen“ auf mein Kaufinteresse, die sich aus dem Wert des fraglichen Objektes und der Genauigkeit/Glaubwürdigkeit meiner Daten berechnen; ein Score (siehe ebay) gibt an, inwieweit meine (zurückliegenden) Angaben zu Käufen geführt haben. Wichtig: Ich muss nicht kaufen, aber wenn ich es tue, gibt es einen Extrazins (für Produkte, zu denen ich KEINE Werbung erhalten habe) und einen Rabatt, wenn ich ein tatsächlich beworbenes Produkt kaufe. 

Ungefähr 2004 wurde das Konzept um den „Datenkoffer“ ergänzt, ein (kabelloser) Stick, auf dem „die Familie“ tagesaktuell alle relevanten Mutter-Vater-Sohn+Tocher-Daten sammelt, inkl. der eigenen Bibliothek (heute nennen wir das vergleichbare Angebot „die Cloud“, was aber nicht das Gleiche ist, weil WIR die Daten der Cloud nicht besitzen); weitere derivative Geschäftsfelder der Idee … liegen auf der Hand. Übrigens ist klar, dass es heute (eher) um Verschlüsselung geht; es war aber schon damals Bestandteil des Modells, als “Provider” (im Sinne “Hide-my-ass”) das anonyme Surfen zu gewährleisten (musste ja sein, sonst bliebe alles beim Alten: die Daten würden weiter geklaut).

Das waren die Überlegungen 2000f; 13 Jahre später würde man die Idee möglicherweise anders angehen und/oder weiterentwickeln, aber in groben Zügen ist damit alles gesagt. Es ist auch gesagt, dass es kein „kleines“, einfaches Modell ist (übrigens ist das auch die Ursache, dass ich es nie allein, also als StartUp, versucht habe), aber, wenn denn einmal etabliert (vergleiche Amazon, ebay, Google …), hat das Modell das Potential zu einem Global Player. Es gab ähnliche Versuche (etwa von Seth Goldstein, siehe http://www.businessweek.com/stories/2006-09-24/if-i-had-a-nickel-for-ev…), und es gibt ein entfernt ähnliches Angebot heute (finanziert von den üblichen Verdächtigen: http://www.reputation.com/board-of-directors). Alle (mir bekannten) Versuche haben wenigstens den einen Mangel, dass sie nicht den Dateninhaber ins Zentrum ihrer Überlegungen gestellt haben, sondern stets den Datenverwerter. Es gab in der Diskussion immer wieder Einwände, etwa: die Vertrauensgrundlage, die Komplexität, eine grundsätzliche Reaktanz gegenüber dem Gedanken des Erfasstseins. Die meisten dieser Einwänden lassen sich entkräften: die Menschen tragen (sogar) auch ihr Geld auf die Bank (Vertrauen?), oder: die Zeiten der einfachen Goldrush-Geschäftsmodelle sind vorbei. Und schliesslich: BESSER ich sammle meine Daten und tu sie auf eine Bank „meines Vertrauens“, als dass Hin, Kunz und die NSA damit ihr unkontrolliertes Süpplein kochen.

In diesem Sinne - mit Blick auf den Einzelnen - ist das Geschäftsmodell - noch heute, und wahrscheinlich jetzt erst recht - valide. Ich habe jahrelang die Hoffnung gehabt, einen „Ansatz“, ein Umfeld zu finden, dieses Geschäftsmodell zu beleben. Jetzt, letzter Versuch, mache ich die Idee öffentlich.

Auf der Höhe des Problems

Um aber den Kreis zu schliessen: während der Diskussion über die NSA (siehe oben) kam mir mit der Erinnerung an diese Initiative zugleich mit der Gedanke, dass ein Handeln, dass den Problemen (heute) angemessen ist, von einem Einzelnen kaum mehr geleistet werden kann. Nicht von einem Politiker (schon gar nicht von einer Partei), und nicht einmal von einer (nationalen) Regierung. Das schier unüberwindliche Dilemma: der Einzelne entfaltet keine (angemessene) Wirkung, doch je mehr (Einzelne) sich „zu dieser Wirkung versammeln“, desto mehr verwässert die Zielsetzung - bis … zum Nullsprech, wenn das Problem die Ebene exekutiven Handelns erreicht. Wie unzählige Male in der Geschichte, zeigen auch die aktuellen Massenproteste (noch immer die Ultima Ratio der politischen Meinungsäusserung), dass diese Form politischer Teilnahme im besten Fall einen kleinsten gemeinsamen Nenner hat (ein Dagegen-Sein) und oft nicht mal den; in keinem Fall aber eine tragfähige politische Ausrichtung. Und schlimmer: in einer komplexen Welt widerstreitender Interessen ist jeder Ansatz, der eine breite Zustimmung findet, falsch. A priori. Umgekehrt zeigt uns die NSA, wie das „entschiedene“ Handeln einer supranationalen Exekutive „auf der Höhe des Problems“ aussieht.

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2014