Im Handbuch der Berater-Novizen findet sich der Satz: „Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern darauf, wie man die Segel setzt.” Weisheit in Tüten. Die ZEIT hat auf die Zeitungskrise reagiert, indem sie sich von der meinungsbildenden Akademiker-Postille zum Goldenen Blatt der Politik transformierte. Noch finden sich politische Stücke in den bunten Seiten, doch die analytische Latte hängt tief; ich hätte Lust auf einen polemischen Rant, verkneif es mir.
Doch über die grundlegende politische Richtung muss ich dieses und jenes Wort verlieren.
Vor ein paar Tagen haben Heinrich Wefing und Anna Sauerbrey über Trump geschrieben; im Politikteil, dem PodCast der Zeit zur Politik, sind Peter Dausend und Ilyana Grabitz ebenfalls das Thema angegangen: Treiben die USA in einen Faschismus? Hier wie dort kamen allesamt zu dem Ergebnis: noch nicht. Im PodCast braucht es zum Ende hin, redaktionell eingefordert, stets einen Hahnentritt Optimismus; in meinen Augen eine wiederkehrende Übung, den CouchPotatoes die Kissen zu rücken. Aber gut. Diesmal meinte der Historiker Volker Depkat, der Grund zu positivem Denken sei in den Amerikanern selbst zu suchen, die, wie Umfragen zeigen, die Trump Administration je nach Topic (Migration, Zölle, Gesundheit …), mit 50 bis 65 Prozent für schlecht befinden. Herr Depkat favorisiert den Begriff Caesarismus.
Auch in anderen Medien ist eine befremdliche Zurückhaltung zu beobachten, von Faschismus oder faschstoiden Entwicklungen zu sprechen. Natürlich liegt die Ursache dieser Zurückhaltung im Nationalsozialismus, sie ist insofern auch verständlich.
Aber falsch!
Zumindest in meinen Augen ist es die Aufgabe des aufklärenden Journalismus, den Permutationen der Begriffe nachzuspüren und aufzuzeigen, an welchen tradierten und/oder neuen Attributen faschistische Tendenzen heute – oder der Faschismus des 21. Jahrhunderts – festzumachen sind. Das begriffliche Getänzel, das von autoritären oder „teilweise diktatorischen” Strukturen spricht, ist analytisches Appeasement. Autoritarismus, autoritär, Autorität, da mag es ja auch sein, dass „er irgendwo nicht ganz falsch liegt”, und in dieser Richtung kommen immer wieder VerWässungsbemühungen hoch, „wo er Recht hat”, „wo er einen Punkt hat” (zuletzt in Sachen UN – ohne aber zugleich darauf hinweisen, dass es das Verhalten der USA ist – bei der Finanzierung, im Sicherheitsrat –, das die UN zerrüttet und entkernt).
Der entscheidende Punkt ist aber ein anderer:
Diese Form des Journalismus behandelt die Politik als Tagespolitik, bewertet das jeweilig Sichtbare, das gerade Geschehene und setzt es in Relation allenfalls noch zum Gestern, eher selten zum Vorgestern und fast nie zum Morgen: „Es scheint, als habe Trump seine Meinung geändert”.
Niemand verschweigt dabei, dass Trump seine Meinung kontinuierlich ändert, aber niemand zieht den politischen Schluss daraus, dass Trump nicht satisfaktionsfähig ist. Niemand vertuscht die Lügen, Volten, Frechheiten, Massnahmen, Verbrechen, so ist es nicht – doch zugleich fällt niemandem ein, daraus eine Summenformel abzuleiten. Der politische Vektor, in den alle Trump’schen Massnahmen zielen, bleibt unbenannt. Der Wirkungsgrad, der sich zwischen seinen Aussagen („Ich hasse meine Feinde”) und seinen Handlungen (James Comey) entfaltet, tendiert in Richtung 100%; auch wenn nicht alles an einem Tag passiert. Und doch kommt erst kopfschüttelnde Abscheu über den Satz und dann, plötzlich, erstaunte Empörung über die Tat. Trumps Handeln jeweils als Einzelmassnahme zu diskutieren unterschlägt geradezu, dass es das Bündel seiner Massnahmen ist (fasces, lateinisch: Rutenbündel), mit dem er das Land in den Faschismus führt.